Malerei: Max Diel

Auf den ersten Blick betrachtet, mag man mich für einen typischen Vertreter jüngerer deutscher Malerei halten. Nach intensivem Studium der Fundamente abstrakter Malerei habe ich mich – ebenso wie viele meiner Malerkollegen - wieder dem Gegenstand zugewandt. Dabei liefern häufig Fotos und Ansichtskarten Ausgangspunkte für mein Schaffen. Die eigenständigen Bildaussagen des bestehenden Bildmaterials werden in sowohl Figurative, als auch freie Malerei, welche nebeneinander bestehen bleiben, transformiert. In soweit begreife ich mich in einer Linie mit Künstlern wie Havekost,  Weischer oder Neo Rauch.

Doch gibt es bei aller Wertschätzung für diese neue deutsche  Malergeneration eine Grundeinstellung in meinem Werk, die mich von meinen Zeitgenossen unterscheidet. So geht es mir nicht nur um das „Was“ und „Wie“ der Darstellung, sondern insbesondere um die innere Haltung zur Malerei, bzw zum einzelnen Bild, welches immer wieder auf´s neue kritisch hinterfragt sein will und letztlich auf eine Konkretion des Lebens abzielt.

Vor diesem Hintergrund betrachtet, erscheint mein Werk als unerwartet „sperrig“ – es offenbart sich hier eine Nähe zu Künstlern wie Dieter Roth oder Raoul de Keyser. Das Festhalten an einem Thema oder einer Malweise kann in meinen Augen bestenfalls das Resultat künstlerischen Strebens, nie aber dessen Absicht sein. Einigen mag dieses Anliegen schlicht als Unvermögen erscheinen und womöglich haben die, die in solcher Weise über mich urteilen, sogar recht. Denn der Maler, der sein Werk vollkommen beherrscht, schlägt mit dieser Meisterschaft zugleich den ersten Nagel in seinen Sarg.

Ähnliches gilt für den Gebrauch der Perspektive. Meine Bilder sind fast immer mehrperspektivisch und das wiederum in mehrfacher Hinsicht. Häufig resultiert die perspektivische Mehrfachbrechung aus dem „Sampling“ verschiedener Bildvorlagen und eigener Bild(re-)konstruktionen. Aspekte der Außenwelt, welche dem Foto entlehnt sind, werden mit inneren Bildern (Erfahrungen und Erinnerungen) gebündelt, ins Ganze gebracht. Dadurch schleichen sich immer wieder autobiographische Aspekte in die Arbeit ein – ein willkommener Anlaß, die „Echtheit“ einer Arbeit zu überprüfen. Denn nur das, was mich berührt, mag auch einen potentiellen Betrachter etwas angehen.

So, wie auch das Leben aus immer wiederkehrenden Einzelmomenten besteht, so ist auch das einzelne Bild für mich Dreh-und Angelpunkt meiner Arbeit. Mit jedem einzelnen Bild  setze ich mich aufs neue mit dessen bildnerischen Möglichkeiten auseinander. Häufig spielt dabei die  Beschaffenheit der Bildoberfläche eine zentrale Rolle. Manche Arbeiten sind leicht und elegant, andere wiederum zeugen  von einem langwierigen, ja fast martialischen  Malakt. Hier kommt oft die Collage zum Einsatz – sie öffnet neue Perspektiven. Dort, wo die ersteren Bildentwürfe scheiterten. So können sich schon mal Schlüsselanhänger, Strümpfe oder ähnliches Vorgefundenes auf meinen Bildern wiederfinden und manchem verblüfften Ausstellungsbesucher muß ich gestehen, dass ich auf die Frage: „was ist denn das?“ keine Antwort parat habe. Denn was sich im Prozeß der Einverleibung, der Verschmelzung von Außen- und Innenwelt auf der Leinwand abspielt, entzieht sich unter Umständen meiner Kontrolle.

Was dann auf der fertigen Arbeit zu sehen ist, spiegelt den Weg dieser Suche oder Reise ins Innere wieder. Es sind häufig die Spuren, welche zurückbleiben: abgekratztes und zerfetztes Papier, oder Farbschichten. Zusammengenähte, geklebte oder geschraubte Bildfragmente hinterlassen nicht selten so etwas wie Narben auf der Bildoberfläche. Sie konterkarieren das offensichtliche Streben nach einem „schönen“ Bild. Titel, wie „Walkampf“, „Ringer“, Ringer (Courbet)“, Weltensturz“ oder „Sail that ship alone“ zeugen von einer gewissen Dramatik und Verletzbarkeit.

Das Zusammenspiel von Eleganz und Aggression hat mich in den zahlreichen Schwanenbildern, aber auch bei „Zidane“ inspiriert. Das unschuldige Weiß und die offensichtliche Schönheit der Tiere bzw. Zidanes´ brillantes Fußballspiel können nicht über die innere Entschlossenheit und Härte hinwegtäuschen, die all jene erfahren, welche es auf eine Konfrontation ankommen lassen. So soll es auch dem Betrachter meiner Bilder ergehen. Man soll ruhig spüren, dass da etwas im Argen liegt.
 
Max Diel, 2009