Ici Berlin

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ICI BERLIN

Künstlerische Positionen aus Berlin

Marianne Stoll & Toni Wirthmüller, Beate Rathke, Stoll & Wachall, Claudia Brieske, Heather Allen, Kai Teichert, Norbert Wiesneth, Max Diel, Volker Sieben, Anne Kaminsky, Britta Lumer, Leslie Huppert, Pierre & Jean Villemin, Christine Woditschka, Matthäus Thoma, Marcus Käubler, Fernando Niño-Sanchez, Anny & Sibel Öztürk, Nadja Schöllhammer

Kuratoren:      
Dr. Andrea Weber, Saarländische Galerie - Europäisches Kunstforum, Berlin
Dr. Ralf F. Hartmann, Direktor Galerie Nord | Kunstverein Tiergarten, Berlin

Als im Jahr 1989 die Berliner Mauer fiel und vierzig Jahre deutsche Teilung ein Ende fanden, begann für Berlin als wichtigste deutsche Kulturmetropole eine aufregende neue Epoche. Die Kunst aus Ost und West näherte sich einander an, unterbrochene Verbindungen wurden neu geknüpft, ein Prozess des gegenseitigen Kennenlernens begann und die Stadt wurde binnen weniger Jahre zu einem der interessantesten Plätze für zeitgenössische Kunst in Europa. Seit Jahrzehnten ist das Nebeneinander unterschiedlicher künstlerischer Strömungen, Überzeugungen und Stile der Nährboden für eine höchst vitale Kunstszene, die über viele Kontakte zu anderen Bereichen wie Musik, Theater und Literatur verfügt. An der Schnittstelle zwischen Ost und West ist die Stadt seit 1989 zu einem Magnet für Künstler aus allen Teilen der Welt geworden, die in Berlin nicht nur auf interessante Kollegen und ein aufgeschlossenes Publikum treffen, sondern für ihre eigene Arbeit optimale Bedingungen vorfinden.

Die Ausstellung ICI BERLIN zieht ein künstlerisches Resümmée der zurückliegenden zwanzig Jahre Kunst in Berlin und präsentiert über 20 Künstlerinnen und Künstler aus den unterschiedlichsten Bereichen der bildenden Kunst. Sie stellt klassische neben junge Positionen, vereinigt Malerei, Skulptur und Fotografie ebenso wie die neuen Medien, Performance- und Konzeptkunst. Alle Beiträge zur Ausstellung verbindet ein unsichtbarer roter Faden: Die Arbeiten der Künstlerinnen und Künstler sind vom Umbruch geprägt, von der Suche nach aktuellen Ausdrucksmöglichkeiten und von Erfahrungen der Neuorientierung. Sie entwerfen das Bild einer neu entstehenden Metropole, die sich ihrer Geschichte und ihrer historischen Wurzeln ebenso bewusst ist, wie den Chancen des Neuanfangs in einer pluralen, multiethnischen und kosmopolitischen Gesellschaft.

Marianne Stoll und Toni Wirthmüller verbinden ihre künstlerischen Erfahrungen als Maler, Grafiker und Objektkünstler in gemeinsam entwickelten Performances. Ihre aufwändig gestalteten Kleider sind künstlerische Objekte, die während der Performances ein bewegtes Eigenleben zu entwickeln beginnen. Wie eine zweite Haut legen sich komplexe Bildwelten aus Mode, Unterhaltungsindustrie und der Medienwelt über die beiden agierenden Künstler und beginnen deren Bewegungen, Gesten und Kommunikationsformen zu bestimmen. So entsteht eine vielschichtige Metapher des menschlichen Zusammenlebens in unserer gegenwärtigen Welt, das von politischen, sozialen und ökonomischen Faktoren bedingt ist.

Claudia Brieske – Andrea Weber

Die Videoarbeit von Beate Rathke erstreckt sich über zwei Monitore im Eingangsbereich der Ausstellung. Die Künstlerin schlüpft darin in die Rolle ihres alter egos, eines virilen Cowboys, der sich selbstverliebt gemeinsam mit seinen multiplen Doubles dem Line-Dance hingibt. In der beständigen Wiederholung dieser Kunstfigur hinterfragt die Arbeit fest gefügte Geschlechterkonventionen und unseren Umgang mit Rollenklischees in einer Welt, in der die Grenzen der Identitäten zu fließen beginnen. In der Auseinandersetzung mit den Theorien der amerikanischen Kulturwissenschaftlerin Judith Butler gelingt Beate Rathke ein ebenso eindringliches wie populäres Bild des Miteinanders der Geschlechter in der postindustriellen Epoche.

Stoll/ Wachall – Andrea Weber
Claudia Brieske – Andrea Weber
Heather Allen – Andrea Weber
Kai Teichert – Andrea Weber

Der Fotograf Norbert Wiesneth zeigt in seiner Bildprojektion ungewöhnliche Blicke auf die immer mehr verschwindenden Leuchtreklamen der ehemaligen DDR, wie sie über viele Jahre das Erscheinungsbild des Alexanderplatzes im Zentrum von Ost-Berlin bestimmt haben. Seine dokumentarischen Aufnahmen entwerfen die Archäologie einer Zeichenwelt, die von verheißungsvollen Utopien und dem Wahn der Planwirtschaft bestimmt war und immer mehr vom Hauch des Untergangs umweht wurde. In der Rückansicht aufgenommen geben die eindringlichen Bilder des Künstlers den Blick auf eine surreal anmutende Welt frei, die zwanzig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer nahezu verschwunden ist.

Die Malerei von Max Diel ist den figurativen Traditionen verpflichtet, wie sie seit Jahrzehnten die Kunstszene Berlins bestimmen. Die Motive seiner großformatigen Bilder findet der junge Maler auf unzähligen Erkundungen in der Großstadt und legt dabei ein besonderes Augenmerk auf jene neuralgischen Stellen des Umbruchs, an denen sich die Gegenwart über die Spuren der Geschichte legt. So atmen die Bilder gleichermaßen eine faszinierende Aktualität, wie sie die sentimentalen Reminiszenzen einer untergehenden Vergangenheit einzufangen verstehen.

Christine Woditschkas Videoarbeit lenkt den Blick auf die wachsenden Peripherien der Metropole. In Berlin-Johannisthal, einem typischen Quartier im Ostteil der Stadt, hat die Künstlerin mit der Kamera das Terrain großer Wohngebiete sondiert. Sie verschafft uns Einblicke in soziale Strukturen und die gestalterischen Konventionen sich neu ansiedelnder und alt eingesessener Bewohner. Jenseits der dokumentarischen Qualitäten der Arbeit ist es der spezifisch analytische Blick auf gesellschaftliche Strukturen, auf Rollenerwartungen und die Bildung sozialer Identitäten, der das Video von Christine Woditschka zu einem vielschichtigen Portrait Berlins in der Gegenwart werden lässt.

Der in Kolumbien geborene Fernando Niño-Sanchez setzt sich in seiner künstlerischen Arbeit seit vielen Jahren mit den kulturellen Codierungen der ethnischen Gruppen in einer Metropole der Gegenwart auseinander. Aus gefundenen Objekten, neu entwickelten Skulpturen und Referenzen an die mediale Umwelt unserer Großstädte entsteht in seiner ausgreifenden Installation ein narrativer Faden, der sich aus unterschiedlichen kulturellen Quellen speist. Neben Sprache und Schrift, ist es insbesondere die visuelle Welt der Zeichen aus Werbung, Mode und Kommunikationsmedien, die Eingang in eine neu formulierte Bildwelt aus Verschiebungen, Paraphrasen und Kommentaren findet.

Nadja Schöllhammer verlässt mit ihren raumgreifenden Installationen die klassischen Koordinaten von Malerei und Skulptur und entwickelt dreidimensionale Bilder aus einer Vielzahl von malerischen, skulpturalen und objekthaften Formen. Wie ein Gespinst legt sich eine filigrane Bildstruktur aus Zeichnungen und Scherenschnitten als Membran in den Raum und entwickelt den Charakter einer neuen Körperlichkeit. Alltagserlebnisse, Geschichten und Mythen bilden den fragmentierten inhaltlichen Hintergrund für eine gleichermaßen anmutige wie bedrohlich wirkende Bildwelt, die sich aus vielschichtigen Reflexen unserer gegenwärtigen Lebenswelt speist.